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Unsere wahre Natur
Unterweisung von Meister Roland Yuno Rech, Sesshin in der Grube Louise, Okt. 2006

Freitag, Mondo

Frage: Was sind nicht-fühlende Wesen?

Roland Rech: Fühlende Wesen nennt man im üblichen Sinn Wesen, die Empfindungen und Wahrnehmungen und auch die Fähigkeiten des Auswählens und Abweisens haben. Im Allgemeinen sind Menschen und Tiere fühlende Wesen. Aus der buddhistischen Kosmologie könnte man auch die Wesen hinzuzählen, die in der Welt der gaki leben oder in der Hölle oder im Paradies. Fühlende Wesen sind letztendlich alle, die ein Karma haben und folglich im Samsara transmigrieren. Das Samsara ist die Welt der fühlenden Wesen. Davon unterscheidet man das Nirvana, die Welt der Buddhas. Das ist die herkömmliche Sichtweise.

Die nicht-fühlenden Wesen sind zum Beispiel Berge, Flüsse, Sterne. Wenn ich hier gegen schlage (der Godo klopft auf Holz), kein Karma, keine Empfindungen, keine Fähigkeit des Auswählens oder Abweisens. Wenn wir über den Holzboden laufen, protestiert er nicht. Das Gleiche gilt für einen Kiesel, man nimmt ihn, man legt ihn hin, man wirft ihn weg. Er wird nicht reagieren, keine Empfindung. Aber seine Zazen-Praxis und sein Verständnis über die Buddha-Natur brachten Meister Dogen dazu zu sagen, dass alle Wesen fühlende Wesen seien, dass es im Grunde keinen Unterschied gäbe.
Letztendlich gibt es eine tiefere Wirklichkeit als das Karma, als die Sensibilität, die Auswählen und Abweisen möglich macht: die Tatsache, dass man in völliger wechselseitiger Abhängigkeit mit den anderen existiert. Von diesem grundlegenden Punkt heraus ähneln sich alle Wesen. Alle Wesen haben dies gemeinsam. Die Tatsache, in Beziehungen zu existieren, ist das Wesentliche selbst der Existenz.

Diese Wahrheit ist folglich viel tiefer als die der fühlenden Wesen und ihrem Karma, ihrem Bewusstsein. Es ist der Punkt, an dem sich die fühlenden und die nicht-fühlenden Wesen ähneln und eine Einheit bilden. Daher sind wir selbst und ein Baum oder wir selbst und ein Berg im Zazen-Geist nicht getrennt, nicht verschieden.
Durch intensive Zazen-Praxis haben Zen-Mönche genau diesen Sinn der Nicht-Getrenntheit von nicht-fühlenden Wesen entwickelt, also von Wesen, die man nicht-fühlend nennt, die aber auch auf ihre Weise das Dharma ausdrücken. Daher sind Mönche oder Praktizierende erwacht, als sie zum Beispiel eine Blume betrachteten oder als sie das Rauschen eines Gebirgsbaches hörten. Eine Blume oder das Rauschen eines Gebirgsbaches sind herkömmlich betrachtet nicht-fühlende Wesen. Aber in ihrer Wirklichkeit drücken sie völlig das aus, was wir mit ihnen gemeinsam haben: die wechselseitige Abhängigkeit, die Existenz ohne Substanz, die sie uns vielleicht sogar besser zeigen als fühlende Wesen. Fühlende Wesen sind kompliziert. Sie verwirren unseren Geist mit Worten. Aber eine Blume oder ein Bach drücken das Wesentliche direkter aus. In diesem Sinn geht es über fühlende oder nicht-fühlende Wesen hinaus.

Es ist sehr wichtig, dies in unsere Beziehung mit der Welt, in der wir leben, zu spüren. Das heißt, dass wir durch alle Dinge in der Natur erwachen können. Sie manifestieren alle dieselbe Essenz der Existenz wie wir aber in einer vielleicht direkteren Weise. Daher seid ihr dazu eingeladen, die Natur zu betrachten, was manchmal eine größere Unterweisung als ein Sutra ist. Es gibt Menschen, die sagen, dass sie nicht gerne Sutras lesen, sie wären zu kompliziert. Dann geht in den Wald. Er ist eine sehr gute Unterweisung, voller fühlender und nicht-fühlender Wesen, die vollkommen miteinander funktionieren. Bäume und Vögel funktionieren zusammen.
Jedes Wesen kann uns erwecken, zumindest zum Erwachen beitragen, vorausgesetzt, dass wir empfänglich sind. Zazen entwickelt diese Empfänglichkeit. Umgekehrt sollte es in uns ein Gefühl der Dankbarkeit, des Wohlwollens allen Wesen gegenüber auslösen, nicht nur den fühlenden Wesen gegenüber. Ich glaube, dies ist die wahre spirituelle Basis der Ökologie.
Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, lest das Kapitel Mujo Seppo aus dem Shobogenzo von Dogen, die Unterweisung des Dharma durch die nicht-fühlenden Wesen.

 

Frage: Ich habe eine Frage zu zwei Personen, die die Mönchsordination empfangen haben und auch noch nach einem Jahr Bodhisattva-mäßig herumlaufen.

R.R.: Was meinst Du mit „Bodhisattva-mäßig herumlaufen“?

F.: Sie tragen nur das Rakusu, also kein Kesa, keinen Kolomo. Auf meine Frage hin, warum das so ist, antworteten sie, dass es nicht wichtig wäre. Wenn sie mal Zeit hätten, würden sie ein Kesa nähen. Einer von ihnen ist einer der Ältesten im Dojo. Was denkst Du darüber?

R.R.: Im Grunde ist es wahr, dass Kesa und Kolomo nicht wirklich wichtig sind. Es sind nur Kleidungsstücke. Die Praxis ist am wichtigsten und der Geist, mit dem man praktiziert. Der Bodhisattva-Geist ist der tiefste, der höchste Geist. Man wird Mönch, um den Bodhisattva-Geist zu vertiefen. Für mich ist das Wesentliche, ein Bodhisattva zu sein. Mönch sein ist ein Weg unter anderen, um seine Berufung als Bodhisattva zu erfüllen.

Aber das heißt nicht, dass Kesa und Kolomo ganz und gar unwichtig sind. Insbesondere das Kesa ist das Symbol der Weitergabe. Das Kesa nicht tragen zu wollen, bedeutet, die Weitergabe zu vernachlässigen. Ich würde niemanden ordinieren, der kein Kesa und keinen Kolomo hat. Nicht weil ich denke, dass es ausreicht, ein Kesa und einen Kolomo zu haben, um Mönch zu werden. Aber wer sich nicht einmal bemüht, ein Kesa zu nähen und ein Kolomo zu kaufen, zeigt mir, dass er nicht wirklich einen engagierten Geist hat, um Mönch zu werden. Er strengt sich nicht an, um der Tradition zu folgen. Die Tradition ist wichtig. Wenn ich jemanden ordiniere, denke ich an die Worte Dogens, der sagte, dass man niemanden ordiniert, der nicht nur ein sondern drei Kesas hat, seine Schalen, einen Kolomo und einen Kimono. Er sagte sogar, dass man sie nicht ausleihen dürfe. Einige sagen, ich leihe mir es aus und werde später eins beschaffen. "Wenn ihr euch zur Ordination Dinge eines anderen Mönches ausleiht, seid ihr nicht wirklich ordiniert", sagte Dogen.

Ich habe völliges Vertrauen in die Unterweisung Dogens, und wenn er in diesem Punkt so streng ist, hat er gute Gründe dafür. Leute, die die Ordination empfangen möchten, sollten über diese Unterweisung meditieren. Dogen war überhaupt kein Formalist. Für ihn drückt die Form völlig die Tiefe des Geistes aus und hilft, ihn zu ergründen. Zum Beispiel kann man den hishiryo-Geist nicht erfassen, aber wenn man sich auf das Kesa-Nähen konzentriert, kann man hishiryo ergründen, wie im Zazen. Der Buddha-Geist ist nichts, was man sehen oder ergreifen könnte. Wenn man seine Dankbarkeit, seinen Respekt dem Buddha-Geist durch raihai ausdrücken möchte, hat man keinen Gegenstand vor sich. Also respektiert man das Kesa als Symbol.
Symbole sind wichtig. Der Geist funktioniert mit Symbolen. Man braucht sie und sollte das respektieren. Es ist schade, dass der Godo, der diese beiden Mönche ordiniert hat, ihnen dies nicht gelehrt hat.

 

Frage: Du hast heute in zwei Kusen zwei unterschiedliche Thesen aufgestellt. Wenn ich sitze, meine Haltung korrigiere und auf meine Atmung achte, kann ich nicht erwachen, wenn ich mir nicht die Frage „Was bin ich?“, „Was praktiziert da?“ stelle. Vorhin sagtest du, dass es möglich wird zu erwachen, wenn ich praktiziere und meine linke Gehirnhälfte zur Ruhe kommt. Das erste hat mich verunsichert, weil ich diese Frage nicht spüre. Sie stellt sich mir nicht. Aber ich habe großes Vertrauen in die zweite These. Was ist richtig?

R.R.: Beides. Die Basis von Zazen ist natürlich die Praxis der Konzentration. Aber wie Meister Deshimaru selber unterwiesen hat, ist die Konzentration allein nicht ausreichend. Wir müssen uns konzentrieren, um die richtige Beobachtung zu ermöglichen. Das intellektuelle Gehirn, das Gehirn, das Trennungen schafft, kann sich die Frage „Was bin ich?“ nicht stellen. Jedenfalls kann es darauf nicht antworten. Es ist genau die Frage, auf die der Verstand nicht antworten kann. Aber die Tatsache, dass wir sie nicht beantworten können, heißt nicht, dass wir sie uns nicht stellen sollten.

F.: Müsste diese Frage nicht von innen kommen? Will man sie nicht erst beantworten, weil sie sich gestellt hat?

R.R.: Ja, natürlich. Aber wenn ihr denkt, dass es ausreicht sich zu konzentrieren, dann neigt ihr dazu, an der wichtigen Frage vorbei zu laufen, die euch hilft zu erwachen. Aus diesem Grund hat Meister Deshimaru nach sieben Jahre Unterweisung über nur Zazen, nur Konzentration auf Haltung und Atmung eines Tages gesagt – ich war dabei und habe übersetzt, daher erinnere ich mich gut –, es reiche nicht aus, ihr müsst euch beobachten. Es ist nicht weiter schlimm, wenn du dir die Frage „Wer oder was bin ich?“ nicht stellen willst, aber beobachte dich. Was nützt ein erhellter Geist, wenn man nichts sieht? Sehen ist wichtig. Das heißt aber nicht, dass es etwas zu sehen gibt. Richtig sehen, dass es letztlich nichts zu sehen gibt. Dafür müssen wir uns bemühen zu sehen.

 

Frage: Kodo Sawaki soll gesagt haben, wer als Laie das Shobogenzo liest, ohne die Yogacara-Philosophie zu kennen, ist wie jemand, der Reis ohne Messbecher oder Waage verkauft. Wo kann man etwas über Yogacara erfahren?

R.R.: Du kannst einige Sutras studieren. Das Haupt-Sutra ist das Lankavatara, ein umfangreicher Text, der nicht so schwierig ist. Du kannst Ausschnitte daraus lesen, weil überall im Lankavatara-Sutra die großen Thesen des Yogacara ausgedrückt werden. Es gibt einen weiteren, kürzeren Text. Im Allgemeinen lesen Zen-Mönche nicht gerne und praktizieren lieber als stundenlang Texte zu lesen. Folglich mögen sie kurze Texte. Dieser Text hat weniger als hundert Seiten. Man glaubt, dass er von Ashvaghosha geschrieben wurde, aber Zen-Mönche haben sich seiner bemächtigt. Er heißt „Erwachen zum Mahayana-Glauben„, auf Englisch: „Awakening of Faith in the Mahayana“. Es ist ein sehr guter Text aber sehr konzentriert, ein bisschen wie das Hannya Shingyo im Vergleich zu Prajna Paramita. Er ist ein Konzentrat des Yogacara und daher sehr schwierig zu lesen. Vielleicht ist es besser, das Lankavatara-Sutra zu lesen, jeden Tag zwei, drei Seiten.

Kodo Sawaki hatte Recht in dem Sinn, dass Dogen von dieser Unterweisung geprägt war. Aber ich glaube, dass er noch mehr von der Prajna Paramita geprägt wurde. Die Prajna Paramita ist auch sehr lang und hat viele Sutras. Aber wenn ihr das Hannya Shingyo versteht, dann versteht ihr die Essenz der Prajna Paramita. Wenn ihr das Diamant-Sutra hinzufügt, geben beide zusammen ein recht gutes Verständnis der Prajna Paramita. Damit könnt ihr das Shobogenzo lesen.
Dogen hatte eine außergewöhnliche philosophische und religiöse Kultur. Im Alter von acht Jahren fing er an Sutras zu lesen. Wenn er sich ausdrückte mit seiner ganzen Kultur, benutzte er Zitate und Referenzen, manchmal ohne es zu sagen, so dass man, wenn man sich nicht auskennt, nicht versteht, wovon er redet. Daher ist das Shobogenzo schwer zu lesen.

Aber es gibt eine andere Art es zu lesen: von der Erfahrung aus, die wir mit Dogen gemein haben, das heißt von shikantaza, von Zazen aus. Der wesentliche Punkt des Shobogenzo ist letztendlich der Ausdruck, der erneute Ausdruck aller Sutras, die Dogen durch seine shikantaza-Erfahrung studiert hat.
Ohne diese Kultur kann man offensichtlich nicht alles verstehen, aber wenigstens versteht man die wesentlichen Punkte. Und es ist auch nicht nötig zu bedauern, dass man nicht alles versteht. Wenn man zehn Prozent des Shobogenzo versteht, ist es bereits nicht schlecht. Es ist gut, es von Zeit zu Zeit zu lesen. Wenn ihr ein Kapitel nach dem anderen lesen wollt, bekommt ihr Kopfschmerzen. Ihr solltet ab und zu eine Seite lesen und euch fragen, was der Text im Zusammenhang mit Zazen bedeutet. Das ist der Schlüssel, um ihn zu verstehen.
Wenn ihr gerne lest, gibt es drei Texte, nein vier: Lankavatara, "Erwachen zum Mahayana-Glauben", das Hannya Shingyo und das Diamant-Sutra. Ich habe eine Liste mit Ratschlägen zu Texten aufgestellt, in der diese vier auch genannt werden.