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Buddha sein im Alltag
Unterweisung von Meister Roland Yuno Rech, Sesshin in der Grube Louise, Feb. 2009

Samstag, Mondo

Frage: Du hast gestern davon gesprochen, dass das Herz weit werden kann. Oft spricht man auch von einem weiten oder engen Geist und von i shin den shin, was mit Herz-Geist übersetzt wird. Kannst du etwas über die Beziehung von Herz und Geist sagen?

Roland Rech: Shin auf Chinesisch oder Japanisch heißt gleichzeitig Herz und Geist. Wenn ich eher das Wort Herz benutze als Geist, meine ich die Funktionsweise des Geistes, der keine Dualität schafft. Der Geist kann auf unterschiedliche Weise funktionieren. Als ich gestern von Herz sprach, meinte ich den Geist, der die anderen mit einschließt, der keine Trennung schafft, der Geist, der die Nicht-Getrenntheit spürt. Er geht über den gewöhnlichen Geisteszustand hinaus. Diese Funktionsweise des Geistes ist auch eine Quelle des Mitgefühls. Daher drückt das Wort „Herz“ die Dimension jenseits des Verstandes aus. Sich eins mit dem anderen zu fühlen und Empathie für den anderen zu empfinden, ist zum Beispiel die Basis der Motivation, um ihn besser verstehen und helfen zu wollen.

Der erste Aspekt des Achtfachen Pfades ist das rechte Verständnis, und der zweite Aspekt ist das rechte Denken. Beide repräsentieren genau die beiden Funktionsweisen des Geistes. Das rechte Verständnis ist die Dimension der Weisheit, das heißt die wechselseitigen Abhängigkeiten verstehen, die Ursachen des Leidens, die vier Edlen Wahrheiten und so weiter. Es ist sehr wichtig, all dies zu verstehen. Aber als ich das erste Mal die Unterweisung des Achtfachen Pfades las, habe ich nicht verstanden, warum es rechtes Verständnis und rechtes Denken gibt. Für mich war es das Gleiche. Aber das rechte Denken ist das Denken des Herzens, das Denken, das keine Trennungen schafft. Von der Weisheit zum Mitgefühl, in Harmonie mit dem leben, was man verstanden hat. Man hat die Illusionen verstanden, die Anhaftungen des Egos, die wechselseitigen Abhängigkeiten, aber alles das findet auf intellektueller Ebene statt. Der Intellekt ist sicherlich wichtig und muss auch auf dem Weg benutzt werden. Wenn wir ein Sutra lesen oder einem Vortrag folgen, sollten wir den Inhalt auch mit dem Intellekt verstehen. Aber das reicht nicht aus, wir müssen auch mit dem Herzen verstehen. Das bedeutet, dass dieses Verständnis unsere Seinsweise, unsere Funktionsweise ändert: weniger getrennt und in der Dualität leben und mehr Empathie, füreinander haben. Es ist eine Art und Weise, sein Verständnis auszudrücken und in Harmonie mit dem tiefen Verständnis zu denken und zu fühlen.

 

Frage: Ich habe bei der Arbeit rund um die Uhr mit Menschen zu tun, die sich sehr benachteiligt fühlen und benachteiligt behandelt werden. Ihr Verhalten ist dann oft sehr aggressiv. Meine Hauptaufgabe ist, mir hunderte Geschichten anzuhören und zu versuchen, bei Problemen gemeinsam Lösungen zu finden. Wenn ich nach Hause komme, fühle ich mich oft wie trübes, mit Sand aufgewirbeltes Wasser. Wenn ich Zazen mache oder mich ausruhe, setzt der Sand sich ab und das Wasser wird wieder klar. Aber mein Gefühl ist, dass das, was sich absetzt, immer mehr wird. Meine Frage ist: Wie kann ich mich davon reinigen? Die Klarheit ist manchmal nach kurzer Zeit wieder weg und ich merke, dass das, was sich ansammelt, immer mehr zunimmt.

R.R.: Das ist eine schwierige Frage. Ich sehe zwei Möglichkeiten. Die erste ist, das, was sich am Boden gebildet hat, wegzuwerfen. Aber ist es möglich, den Ballast völlig wegzuwerfen? Die andere Möglichkeit wäre, den Sand als Leerheit und ohne Substanz zu betrachten. Der Sand ist da, aber er stört nicht. Er hat keine Substanz so wie alle Phänomene des Lebens. Nicht nur die Geschichten, die du den ganzen Tag hörst, alles, was wir von morgens bis abends erleben, ist wie Sand, alle Phänomene, die durch unsere Sinnesorgane, durch unsere Ohren und Augen ins Gehirn eindringen. Wer ihre Leerheit beobachtet, kann sie vorbeiziehen lassen und behält sie nicht bei sich. Es ist wie bei einem Kind, das weint, weil es etwas verloren hat. Da sagt die Mutter: „Ach, das macht doch nichts, das geht vorbei.“

Im Zen empfiehlt man eher, shiki soku ze ku aus dem Hannya Shingyo zu praktizieren, das tiefe Verständnis der Leerheit. Selbst wenn Sand da ist, stört er mich nicht. Im Leben gibt es immer Sand. Im Leben gibt es niemals nichts, es gibt immer Phänomene, die sich mehr oder weniger stark absetzen. Die Frage ist: Welche Wichtigkeit messen wir den Phänomenen bei? Welchen Wert geben wir ihnen? Hängen wir ihnen nach oder lassen wir sie los?

Vielleicht geht es in deinem Fall geht noch um etwas anderes. Letztlich empfängst du den Ausdruck des Leidens der anderen, aber du hast nicht die Macht, diese Leiden an den Wurzeln zu packen. Das ist unbefriedigend. Natürlich hörst du zu und versuchst Lösungen zu finden, aber die Wurzel wird nicht angepackt. Vielleicht ist dort das Problem. Entweder du begnügst dich damit, oder etwas anderes muss für diese Menschen getan werden. Hast du das Gefühl, dass es nicht ausreicht, was du tust?

F.: Begnügt man sich als Bodhisattva?

R.R.: Es kann nicht ausreichen, der Leiden der anderen nur zuzuhören. Aber es ist gut und wichtig. Kannon hört dem Leiden der Welt zu. Es ist schon viel. Aber der Bodhisattva hofft, weiterzugehen und die Wurzel der Leiden zu durchtrennen. Buddha reichte es nicht, sich Klagen anzuhören. Er hatte den Weg gefunden, wie man die Wurzel des Leidens durchtrennen kann. In deinem Fall ist das Problem, dass die Leute nicht kommen, um die Wurzel ihrer Leiden anzupacken. Sie suchen keinen Weg, um das Leiden völlig aufzulösen. Ich gehe auch davon aus, dass ihre Leiden einen politischen Aspekt haben. Es geht um Menschen, die einen benachteiligten Stand in der Gesellschaft haben. Da geht es nicht nur um spirituelle Probleme. Und sie bleiben in dir, weil du siehst, dass du tust, was du kannst, es aber nicht ausreicht. Wenn du dich besser fühlen willst, kannst du dir sagen: letztlich ist es nichts. Oder du kannst deine Grenzen akzeptieren und dir sagen: Ich tue, was ich kann. Es bringt nichts, sich zu quälen oder unzufrieden mit sich zu sein. Oder du trittst selber in Aktion auf politischer oder gesellschaftlicher Ebene, um etwas in Gang zu bringen, damit diese Probleme behoben werden. Vielleicht kommt dann bei einigen von den Leuten doch der Moment, wo du ihnen vorschlagen kannst, ins Dojo zu kommen.

F.: Ich habe schon einen Buddha in meinen Raum gestellt.

R.R.: Bezüglich des Leidens gibt es immer zwei Ebenen. Kannon handelt übrigens immer auf beiden Ebenen. Bei der einen Ebene geht es darum, das Leiden ganz konkret aufzulösen, das heißt zu versuchen, die Ungerechtigkeiten aufzuheben oder armen Menschen mehr Mittel zu geben. Das ist der konkrete materielle Aspekt der Hilfe. Auf der anderen, tieferen Ebene hilft man den Menschen, ihre Sichtweise auf die Dinge zu ändern. Es klingt widersprüchlich, denn wenn man seine Sichtweise ändert, heißt das auch, mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Das kann jeder für sich selbst entscheiden, es ist ein spiritueller Weg.

Ich hoffe, ich habe dir zwei, drei mögliche Ansätze aufzeigen können. Ich glaube nicht, dass es eine einzige Lösung für dein Problem gibt. Wenn du ein bisschen ruhiger werden und dich nicht so sehr von dem Sand, der sich im Laufe des Tages angehäuft hat, beeinträchtigen lassen willst, versuche jedes Mal, so gut zu sein wie du kannst, und auch zu akzeptieren, dass du nicht allmächtig bist und Grenzen hast.

 

Frage: Ich knüpfe an die vorherige Frage an. Du hast gesagt: Kannon handelt auf diese Weise. Wer ist Kannon? Ich dachte immer, im Buddhismus gibt es keine Personifizierungen.

R.R.: Im 25. Kapitel des Lotos-Sutra wird Kannon beschrieben. Wie ein Bodhisattva handeln heißt, Kranke zu pflegen, Armen zu helfen, weniger arm zu sein, Gewalt zu beenden, Gefangene zu befreien, Leuten zu helfen, aus ihren materiellen Schwierigkeiten herauszukommen. Dies sind alles Handlungen des Bodhisattvas, die im Kannon Gyo beschrieben werden. Im Kannon Gyo geht es um ganz konkrete Dinge. Menschen befinden sich in großer Gefahr und bekommen Hilfe von Kannon. Ein Feuerwehrmann oder ein Arzt erfüllt zum Beispiel die Aufgabe von Kannon. Alle, die das Leben beschützen, erfüllen die Aufgaben eines Bodhisattvas. Dies sind Beispiele auf materieller Ebene. In der Zen-Unterweisung wird diese Ebene oft vernachlässigt, und wir sprechen eher von der spirituellen Seite. Aber es ist auch wichtig, ganz konkret zu helfen. Wenn jemand vor Hunger stirbt, ist es besser, ihm erst zu essen zu geben, bevor man über Zazen spricht. Der andere Aspekt von Kannon ist, den Menschen einen Weg zu zeigen, um ihre spirituellen Leiden zu lindern. Er macht den Menschen klar, dass sie immer, auch ohne materielle Probleme zu haben, leiden werden, wenn sie nicht zum wirklichen Sinn des Lebens erwachen.

F.: Es gibt Bücher, die verschiedene Buddha-Abbildungen beschreiben. Wie muss man sich diese Abbildungen erklären?

R.R.: Sie bedeuten einfach, dass Buddha aus seiner Weisheit und aus seinem Mitgefühl heraus sehr viele Formen annimmt. Dies wird mit den Statuen symbolisiert. Es gibt gar nicht so viele verschiedene Darstellungen, vielleicht zehn oder höchstens zwanzig. Letztlich sind Buddhas Mitgefühl und Weisheit unendlich. Aus diesem Grund spreche ich sehr gern über gyobutsu, weil gyobutsu jenseits jeder Darstellung ist. Sobald wir uns ein Bild von Buddha machen, schränken wir ihn ein. Dieser Buddha hat diese Form, diese Tugenden, diese Aufgaben... Aber der wahre Buddha kann nicht auf eine Form oder eine Aufgabe begrenzt werden. Man kann ihn nicht darstellen, weil er unendlich ist. Gyobutsu hat unendlich viele Handlungen. Man kann Buddha nicht auf eine Vorstellung reduzieren, auch wenn man sagt, Buddha ist Weisheit, Buddha ist Mitgefühl, dies sind alles Einschränkungen. Buddha ist jenseits von allem, was wir uns vorstellen. Er ist in einer Dimension des Lebens, die wir nicht in Vorstellungen einschließen können. Für mich ist es das zentrale Thema. Aus diesem Grund ist es besser, sich kein Bild von Buddha zu machen, sondern sich auf die Praxis zu konzentrieren. Von dieser Praxis ausgehend können alle Arten von Formen und Ausdrücken entstehen.

F.: Könnte man sagen, dass die Buddha-Bildnisse mehr etwas für das einfache Volk sind?

R.R.: Ja, natürlich. Die Menschen wollen sich ein Bild machen. So ist es eben. Auch wir stellen ein Bild auf den Altar. Aber wenn wir uns an ein Bild klammern, ist es besser, es zu verbrennen.

 

Frage: Ich habe dreizehn Jahre meinem Meister gefolgt, der jetzt sehr krank ist und nicht mehr lehren kann. Am Anfang dachte ich, ich müsste mir einen neuen Meister suchen, aber je länger ich ohne ihn praktiziere, desto mehr spüre ich, dass er in mir ist. Vielleicht sollte ich auch anfangen, alleine zu laufen. Soll ich mich nun aufmachen, einen anderen Meister zu suchen?

R.R.: Ich finde es sehr erfreulich, dass du die Gegenwart deines Meisters und seine Unterweisung spürst. Ich denke, dass du eher dem folgen solltest, was dir weitergegeben wurde und was in dir ist, was dich antreibt. Es ist nicht nötig, dass du dich beeilst, einen anderen Meister zu suchen. Vielleicht wirst du in Zukunft den Wunsch nach einem neuen Meister haben. Diesen Wunsch solltest du in dem Moment akzeptieren und nicht als Verrat an deinem Meister empfinden. Versuche nicht, um jeden Preis deinem Meister treu zu bleiben. Entwickle nicht das Gefühl, deinen Meister zu verraten, wenn du einen anderen Meister aufsuchst. Es muss zu deinem wahren Bedürfnis passen und darf nicht zu einer Vorstellung werden. Viele Leute meinen, dass man einen neuen Meister suchen sollte, wenn der alte gestorben ist. Aber das ist keine Regel und erst recht keine Verpflichtung.

Als Meister Deshimaru starb, hatte ich überhaupt nicht die Notwendigkeit gespürt, einen neuen Meister zu suchen, weil ich noch völlig von seiner Gegenwart und seiner Unterweisung erfüllt war. Damals genauso wie heute reicht es mir aus. Erst als ich merkte, dass es nicht nur um mich ging, änderte es sich meine Einstellung. Meine Berufung war schon zu Zeiten Deshimarus, das Dharma weiter zu geben. Und dafür empfand ich das Bedürfnis, die bestätigte Weitergabe von einem anderen Meister zu empfangen, und das war Niwa Zenji. Als ich die Weitergabe von Meister Niwa Zenji erhalten hatte, sagte er: „Ich mache es an Meister Deshimarus Stelle.“ Er hat uns nie glauben lassen, die Unterweisung von Meister Deshimaru wäre nicht ausreichend gewesen. Niemals hat er gesagt: „Ihr müsst sie jetzt vergessen und meiner Unterweisung folgen.“ Er hat nur das beendet, was Meister Deshimaru angefangen hatte.

Es hängt von dir ab. Bleibe offen für alle Möglichkeiten, aber glaube nicht, dass du um jeden Preis einen neuen Meister suchen musst. Folge deiner Intuition.

 

Frage: Ich praktiziere seit eineinhalb Jahren. Am Anfang ging es mir nach Zazen immer sehr schlecht, besonders wenn ich sehr lange gesessen habe. Ich war sehr traurig oder leicht reizbar und wurde wütend. Mittlerweile ist es besser geworden ist, aber es ist immer noch da. Ich frage mich, ob ich vielleicht etwas falsch mache.

R.R.: Worüber bist du traurig oder wütend nach Zazen? Bist du traurig, weil du in Zazen nicht erreicht hast, was du dir erhofftest? Oder bist du wütend auf dich selbst, weil du meinst, dass dein Zazen nicht konzentriert genug war? Wenn man eine Emotion verspürt, muss man sich sofort fragen, was mit dieser Emotion in Zusammenhang steht? Eine Emotion ist immer eine Reaktion auf etwas. Du musst dich selbst studieren und dich beobachten. Es ist die Grundlage von Zazen, sich selbst kennenzulernen. Wenn du ein Gefühl verspürst, das du nicht verstehst, musst du versuchen, die Wurzel des Gefühls zu finden. Versuche zu verstehen, was passiert. Gerade weil man in Zazen seine Gefühle und Gedanken nicht unterdrückt, passiert es Zen-Anfängern oft, dass alte, unterdrückte Gefühle und Gedanken hochkommen, mit denen sie nicht rechnen. Es ist gut, dass durch Zazen diese Emotionen hervorkommen. Du kannst sie willkommen heißen und dich um sie kümmern.