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Funktionsweisen des Geistes
Unterweisung von Meister Roland Yuno Rech, Sesshin in der Grube Louise, Okt. 2008

Samstag, 1. Zazen

Jeder hat seine persönlichen Angelegenheiten aufgegeben, um zu diesem Sesshin zu kommen, um dem Weg folgen zu können, dem Weg Buddhas, der Weg, der uns über die Grenzen unseres kleinen Egos zieht, der es uns ermöglicht, unser wahres Selbst, die wahre Dimension unserer Existenz zu verwirklichen. Dies nennt man bodai shin oder bodhicitta im Sanskrit.

Gestern Morgen habe ich von den drei Funktionsweisen des Geistes gesprochen. Wenn man mit der Zazen-Praxis anfängt, und oft zu Beginn eines jeden Zazen, beobachtet man den unterscheidenden Geist. Er nimmt wahr, unterscheidet und wägt ab. Ist die Haltung richtig? Er bemüht sich, sie richtig einzunehmen.
Er beobachtet die Gedanken und erkennt ihren illusorischen und unbeständigen Charakter. Er bemüht sich sie fallenzulassen. Er bemüht sich, den gewöhnlichen Geist aufzugeben und Geist des Weges zu verwirklichen. Diese Funktionsweise des Geistes nennt man shiryo, shin oder im Sanskrit citta, der Geist, der unterscheidet. Er ist der Ausgangspunkt des Geistes des Weges. Seine Fehler erkennen und sich der Wahrheit annähern zu wollen ist der Ausgangspunkt des Buddha-Geistes. Unsere Feststellung, dass Leiden existiert, dass unsere Art zu leben und zu denken Leiden schafft, bringt den Geist des Weges hervor, den Geist, der versucht, den Weg zu praktizieren.

Um diesen Weg zu verwirklichen, ziehen wir an dem unterscheidenden Geist vorbei, indem wir die Leerheit von allen Unterscheidungen beobachten. Alle Pole der Dualitäten hängen von unseren geistigen Erzeugnissen ab. Begriffe wie „ich“ und „die anderen“, das Gute und das Schlechte, wahr oder falsch, der Weg oder der Nicht-Weg, Satori oder Illusionen werden vom unterscheidenden Geist erzeugt, dem Geist, der mit Wörtern, mit Begriffen funktioniert, der nur durch die Unterscheidung von den anderen existiert.

Das Ego konstruiert sich selbst durch diese Unterscheidung von den anderen. Natürlich ist diese Unterscheidung nötig, um ein Individuum zu werden. Aber wenn man nur mit diesem Denkmodus funktioniert, erscheinen viele Konflikte und viel Leiden zwischen einem selbst und den anderen und auch innerlich zwischen seinen Illusionen und seiner Suche nach Wahrheit. Viele Spannungen treten auf. Wenn man tief versteht, dass diese Pole der Dualität nur im Bezug zueinander existieren und keine eigene, autonome Existenz haben, kann man diese Gegenseiten relativieren, indem man die Leerheit, die Abwesenheit von eigener Substanz beobachtet.

All diese Beobachtungen werden immer noch vom unterscheidenden Geist erzeugt, aber sie ermöglichen es, dass man sich von diesem Denkmodus loslöst. Wenn man sich völlig auf die Körperhaltung und auf die Atmung konzentriert, ohne an seine Gedanken festzuhalten, kann man so eine andere Seinsweise, eine andere Denkweise erfahren. Man nennt sie hishiryo.
Das Beobachten der Leerheit unserer geistigen Erzeugnisse heißt fushiryo. Es schafft Raum für eine andere Funktionsweise, die jenseits des Denkens und Nicht-Denkens ist: hishiryo, der Geist, der alle Pole der Dualitäten umfasst, der Geist, der alle Trennungen, alle Gegensätze überwindet, indem er die Wirklichkeit wahrnimmt, die darüber hinausgeht. Man erfährt ihn in der großen Konzentration, im Samadhi von Zazen, wenn man aufhört, nur mit seinem Kopf zu denken, und anfängt, mit dem ganzen Körper zu denken.

Dann hat uns der unterscheidende Geist zur Schwelle des Weges gebracht. Aber die Schwelle zu überschreiten heißt, über den unterscheidenden Geist hinauszugehen. Es reicht nicht aus zu erkennen, dass es einen rechten Weg jenseits unseres illusorischen Geistes gibt. Man muss ihn auch ganz konkret betreten und dabei seinen gewöhnlichen Denkmodus fallenlassen.

Wenn Körper und Geist ihre Einheit wiederfinden, kommen wir wieder in Berührung mit der tiefen Wirklichkeit unserer Existenz, dieser Existenz, die nur gemeinsam mit den anderen, mit allen Wesen funktioniert, der verwirklichte Weg, der Weg in Einheit mit allen Wesen. In dieser Hinsicht kann der Weg nicht einsam sein. Selbst wenn wir ihn allein nur durch uns selbst betreten, können wir ihn nur praktizieren, indem wir die völlige Einheit mit allen Wesen verwirklichen. Aus diesem Grund sagte Meister Dogen: „Zum Geist des Weges, zu bodai shin erwachen, bedeutet, das Gelübde abzulegen, allen Wesen zu helfen.“ Zum anderen Ufer hinüberfahren. Es ist das Gelübde des Mitgefühls aller Bodhisattva. Es ist die Offenbarung des verwirklichten Geistes des Erwachens.