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Guckst Du | Texte | Mondo - Fragen an einen Zen-Meister

Raum für Spontanität

Frage:
Im Zen gibt es viele Regeln. In welchem Zusammenhang stehen sie mit dem Loslassen? Ich finde das alles ziemlich steif. Bleibt da überhaupt noch Raum für Spontanität?

Roland Yuno Rech:
Die Regeln haben zu allererst das Ziel, uns in der Konzentration zu unterstützen. Wenn man das Dojo betritt, ist es zum Beispiel sehr wichtig, dass man wirklich eins mit seinem Körper ist und nicht an irgendetwas anderes denkt. Man muss wirklich hier und jetzt sein. Den Regeln zufolge betritt man das Dojo mit dem linken Fuß, was einem hilft, aufmerksam zu sein, das heißt, man führt seinen Geist zurück zum gegenwärtigen Moment.

Für die Haltung gilt das Gleiche. Es wird eine wirklich gute Haltung unterwiesen. Diese Haltung hat nicht als Ziel, uns in starre Statuen zu verwandeln, sondern sie ist erfahrungsgemäß eine Stütze für die Konzentration. Wenn man nicht gut sitzt, neigt man dazu, den Kopf nach vorne fallen zu lassen, und der Geist schweift ab. Kehrt man hingegen immer wieder zum Körper zurück, um zu prüfen, ob der Rücken noch gerade und der Nacken gestreckt ist, bilden Körper und Geist wieder eine Einheit. Eine starke Konzentration stellt sich ein, die hilfreich ist, um die Gedanken loszulassen. Ohne diese Konzentration sind wir in unseren geistigen Konditionierungen gefangen.

Was wir für Freiheit oder Spontanität halten, ist oft einfach das Nachgeben unserer Konditionierungen. Oft verwechseln wir wahre Freiheit damit, unser Ego machen zu lassen, was es will, aber das ist der Irrtum unseres Lebens. Das Ego sucht oft seinen Gewinn, seinen Vorteil oder sein Wohlergehen auf Kosten anderer. „Ich zuerst“ ist die Devise des Egos. Aber eine derartige egoistische Haltung ist nicht die wahre Freiheit.

Diese Verwechslung stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert, als sich in Europa der Individualismus behauptete. Der Individualismus war eine Befreiung hinsichtlich des Feudalsystems, bei dem die Menschen in Kategorien gefangen waren, aus denen sie nicht herauskamen. Zu der Zeit war der Individualismus eine wahre Revolution gegenüber den auferlegten gesellschaftlichen Regeln. Daraus entwickelte sich aber die grundlegende liberalistische Haltung, sich zu bereichern, auch auf Kosten anderer, ohne auf seine Mitmenschen zu achten. Man dachte, wenn jeder seinen persönlichen Vorteil sucht, wäre es gewinnbringend für alle. Letztlich stellte sich das als Illusion heraus und wurde zur Quelle von Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Leiden und Entfremdung.

Auch im Zen hat die Individualität oder das Ego seinen Platz, aber es muss das, was über sie hinausgeht, akzeptieren und ihm folgen. Es muss sich öffnen können zur Dimension der Solidarität und der Einheit mit den anderen.

Natürlich hat jeder andere Eigenschaften. Der Bodhisattva stellt seine individuellen Eigenschaften in den Dienst der Paramita und der Bodhisattva-Gelübde. Es ist seine Art und Weise, anderen zur Hilfe zu kommen. Jeder hat seine eigene Art und seine Fähigkeiten. Der Bodhisattva jedoch kommt anderen zur Hilfe, indem er über seinen Egoismus hinausgeht.

Wenn man eine neue Praxis beginnt, folgt man Regeln, man versucht zu lernen und es wie die anderen zu machen. Zu Beginn ist die Praxis wie eine Übung, die man bewusst ausführt. Aber aus dieser Praxis entspringt nach und nach wahre Spontanität, wenn man Gutes tut und das Schlechte vermeidet, ohne nachzudenken und ohne sich Regeln in Erinnerung zu rufen.
Wahre Freiheit heißt, in Harmonie mit dem, was wir im Grunde unserer selbst sind, zu leben, mit unserer wahren Natur. Doch um unsere wahre Natur zu entdecken, brauchen wir die Praxis und Regeln, um richtig zu praktizieren.

RoSi-1611 09/17

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