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Guckst Du | Texte | Kusen - Mündliche Unterweisungen im Dojo

Die große Befreiung

Kehrt während Zazen immer wieder zur Konzentration auf die Körperhaltung zurück, insbesondere auf einen aufrechten Rücken, das leicht zurückgezogene Kinn und entspannte Schultern. Anstatt euren Gedanken zu folgen, folgt ihr besser der Bewegung eurer Atmung. Wenn ihr einatmet, seid ganz eins mit der Einatmung, wenn ihr ausatmet, seid eins mit der Ausatmung.

Sich auf die Haltung zu konzentrieren bedeutet nicht, alles andere auszublenden oder die Phänomene, die auftauchen, zu ignorieren, ob es nun äußere Phänomene sind oder Gedanken, Gefühle oder Erinnerungen. Im Gegenteil, wir bleiben offen und aufnahmebereit, für alles, was von Augenblick zu Augenblick geschieht. Allerdings geht es darum, nichts festzuhalten, keinen Gedanken aufzugreifen und weiterzuspinnen. Wir nehmen alle Phänomene einen Moment lang wahr und lassen sie dann vorüberziehen.

Sich so zu konzentrieren bedeutet nicht, sich zu zwingen, still zu sitzen, um vielleicht irgendwann etwas zu erreichen. Es bedeutet, voll und ganz im gegenwärtigen Augenblick zu sein, in der Wirklichkeit hier und jetzt, in der einzigen Wirklichkeit, die konkret ist. Dann hören wir auf, irgendetwas hinterherzulaufen und erkennen unseren wahren Platz in dieser Welt. Er ist nicht woanders, er ist genau hier. So befreit uns Zazen von dem Gefühl, dass uns etwas fehlen würde, das wir uns aneignen müssten und das anderswo zu finden wäre.

Morgens singen wir nach dem Zazen einen kurzen Vers, das Kesa-Sutra. Es beginnt mit „Dai sai geda pu ku“, „O Gewand der großen Befreiung“. Das Kesa wird das Gewand der großen Befreiung genannt, weil es die Weitergabe des Erwachens Buddhas symbolisiert. Es wird an die Personen weitergegeben, die um die Ordination gebeten haben.

Es ist eine große Befreiung, wenn man erfährt, dass man nicht mehr blind auf die Phänomene reagiert, wenn man nicht von den Ereignissen, den Wünschen oder Abneigungen hin- und hergetrieben wird. Es ist eine große Befreiung, wenn man die wahre Natur der auftauchenden Phänomene erkennt, so dass man sie ziehen lassen kann, ohne sich ihrer bemächtigen zu müssen. Dazu brauchen wir nichts Besonderes zu tun, wir bleiben einfach auf die Körperhaltung konzentriert. Das funktioniert während Zazen wie auch im täglichen Leben.

Zazen bedeutet, jeden Kampf zu beenden. Dabei geht es nicht darum, sich zu bemühen, seine Illusionen loszuwerden, sondern einfach darum, präsent zu sein und sie in ihrer wahren Natur zu sehen, die ohne Substanz ist. Ohne Substanz bedeutet, dass sie nichts Dauerhaftes sind. Sie sind wie Eis, das in der Sonne schmilzt. Das Eis war ein vorübergehender Zustand des Wassers, so wie unsere Illusionen ein vorübergehender Zustand unseres Geistes sind. Wenn man sie als das betrachtet, was sie sind, verschwinden sie leicht und machen Platz für einen befreiten, wachen Geist.

Mit einem Kesa oder einem Rakusu, der kleinen Variante des Kesas, zu praktizieren bedeutet, Zazen in seiner wahren spirituellen Dimension der inneren Umwandlung zu praktizieren. Früher wurde das Kesa aus Stoffstücken genäht, die von allen abgelehnt wurden, wie weggeworfene Lumpen, alte Lappen, Leichentücher. Die Praxis, diese Stoffstücke zu sammeln, zu waschen, zu färben, in Stücke zu schneiden und wieder aneinanderzufügen, um das Kesa zu bilden, ist eine Praxis der Konzentration, ebenso wie Zazen.

Man konzentriert sich von Einatmung zu Ausatmung auf jeden einzelnen Stich, auf jeden Punkt, und diese Punkte bilden schließlich eine schöne Linie. Genauso kann unser Leben eine schöne Linie bilden, indem wir uns auf jeden Augenblick konzentrieren und ihn in völliger Einheit mit dem Hier und Jetzt leben. Dann wird unser Leben kraftvoll, und der Weg wird verwirklicht.

 

Ro/Si 02/2024

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