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Guckst Du | Texte | Kusen - Mündliche Unterweisungen im Dojo

Keine Zeit zum Träumen

Seid wach. Seid gegenwärtig. Die Nacht ist vorbei, die Zeit zum Träumen ist vorüber, also haltet eure Augen geöffnet. Richtet euch immer wieder gut auf, neigt das Becken nach vorne, streckt die Wirbelsäule und den Nacken und zieht das Kinn zurück. Entspannt die Schultern, das Gesicht und den Bauch. Atmet ruhig ein und aus, beobachtet eure Ausatmung und haltet keine Luft zurück. Konzentriert euch immer wieder erneut auf die Körperhaltung und die Atmung.

Warum ist es wichtig, immer wieder zur Konzentration zurückzukehren?
Weil wir so die Verkettung unserer Gedanken unterbrechen. Ein Gedanke hängt sich an den nächsten, ein Gedanke führt zu einem anderen. So treiben wir in Gedanken ständig zwischen Vorstellungen, Erinnerungen, Träumen und Planungen hin und her. Und dieser ständige Strom von Gedanken lenkt uns von der Wirklichkeit ab, er hindert uns daran, gegenwärtig zu sein, hier zu sein, hier und jetzt die Wirklichkeit wahrzunehmen wie sie ist.

Wenn wir uns auf den Körper konzentrieren, holen wir unseren Geist zurück aus einer virtuellen Gedankenwelt und richten unsere Aufmerksamkeit auf etwas, das hier und jetzt ist, zum Beispiel auf den Kontakt der Daumen. So geben wir unserem Geist die Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. Er wird wie das Wasser eines Sees, das ganz klar wird, wenn der Wind sich beruhigt. Die Wasseroberfläche wird glatt wie ein Spiegel; sie spiegelt alles wider, was erscheint, und lässt es los, wenn es verschwindet. Genauso wird der Geist im Zazen, er nimmt alles wahr, aber er greift nichts auf und weist nichts ab.

Dieser Geist ermöglicht es uns, die Wirklichkeit zu sehen, so wie sie ist. Mit ihm ist es uns möglich, uns selbst zu sehen, wie wir sind, jenseits unserer gefälligen Vorstellung, die wir uns im Laufe der Zeit von uns selbst gemacht haben. Wir können unsere Konditionierungen erkennen, Muster nach denen wir immer wieder funktionieren. Erst wenn wir uns wirklich kennenlernen, sind wir in der Lage, etwas zu ändern oder uns von etwas zu lösen.

Wenn ihr die Zeit des Zazen damit verbringt zu träumen, dann verpasst ihr die Gelegenheit, euren Geist für die Wirklichkeit hier und jetzt zu öffnen. Er ist weiter damit beschäftigt, virtuelle Bilder zu verfolgen, die nichts mit dem gegenwärtigen Augenblick zu tun haben, und ihr seid weit davon entfernt, die Wirklichkeit zu sehen, wie sie ist.

Einfach nur sitzen heißt nicht, einfach nur abzuwarten und zu dösen, bis die Glocke geschlagen wird. Einfach nur sitzen heißt, ganz da zu sein, hier und jetzt mit den anderen im Dojo, mit offenen Sinnen, offenem Bewusstsein und offenem Geist, der in jedem Augenblick bereit ist, das zu empfangen was ist. Es bedeutet, mit jedem Atemzug eins zu werden, die Wirklichkeit völlig zu durchdringen und jeden Augenblick vollständig zu leben. Dann fehlt nichts und nichts ist zu viel.

Wenn wir dies spüren, und sei es nur einen Augenblick lang, dann sind wir in Berührung mit der wahren Wirklichkeit, die nicht von Träumen, Vorstellungen oder Konzepten getrübt ist. Es ist wie ein Blick auf den weiten blauen Himmel. Von Zeit zu Zeit tauchen Wolken auf: Erinnerungen, Gefühle, Wünsche oder andere Gedanken. Da wir sie nicht aufgreifen und sie einfach vorbeiziehen lassen, bleibt der Himmel ungetrübt. Meister Deshimaru nannte es, zum Normalzustand zurückkehren.

Nutzt die Zeit.

Si 11/2013